Berlin-Exkursion 2008

Im März 2008 organisierten Lion Hirth und Sybille Röhrkasten unter dem Dach des Vereins „Interpol – Internationales Forum für Studenten der Politikwissenschaft“ und des Arbeitskreises Klima eine Exkursion nach Berlin. Sie führte uns zu einer Reihe von Referenten und Institutionen, die energie- und klimapolitisch besonders relevant sind. Thematisch standen dabei die politische Entscheidungsfindung und ihre Beeinflussung durch Interessensvertreter, aber auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Mittelpunkt.

Gruppenbild vor dem Hauptgebäude des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung

Programmübersicht

Mittwoch, 5. März 2008
Institution Referent Stellung
E.ON Gert von der Groeben Generalbevollmächtigter, Leiter des Bereichs Economic and Public Affairs
Auswärtiges Amt Reinhard Krapp Vortragender Legationsrat I. Klasse, Referatsleiter Internationale Umweltpolitik
Auswärtiges Amt Alexander Schönfelder Vortragender Legationsrat, Arbeitsstab für umwelt- und biopolitische Fragen in der Außenpolitik, Internationale Energiepolitik
MdB, Bündnis 90/Die Grünen Hans-Josef Fell Energiepolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen
Donnerstag, 6. März 2008
Institution Referent Stellung
World Wide Fund For Nature (WWF) Kathrin Gutmann Internationale Klimapolitik, Vernetzung
Stiftung Wissenschaft und Politik Dr. Susanne Dröge Forschungsgruppe Globale Fragen
Stiftung Wissenschaft und Politik Prof. Dr. Guenther Maihold Stellvertretender Direktor der SWP
MdB, SPD Frank Schwabe Klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Freitag, 7. März 2008
Institution Referent Stellung
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Dr. Georg Maue Referat Grundsatzangelegenheiten Umwelt und Energie, Klimaschutz
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Dr. Gunnar Luderer, Christian Flachsland, Dr. Hans-Martin Füssel

4. März 2008

Anreise nach Berlin und Vorbesprechung

Am 4. März trafen wir im Berliner Stadtteil Kreuzberg in der Jugendherberge Hostel X Berger ein. Danach begannen wir direkt mit den Vorbereitungen für die Gespräche am nächsten Tag. Roman, Bilal, Joana und Cornelius gaben uns einen Überblick.

5. März 2008

Gert von der Groeben Gert von der Groeben

Friedrich-Ebert-Stiftung

E.ON Das erste Gespräch der Exkursion fand im Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Berlin Tiergarten statt. Gert von der Groeben ist Mitglied im Managerkreis der FES, deshalb wurde dieser Ort gewählt. Von der Groeben leitet die Wirtschaftspolitik der E.ON\ AG und ist damit so etwas wie das Bindeglied zwischen Konzern und Politik. Vor seiner Tätigkeit als Generalbevollmächtigter bei E.ON saß er viele Jahre für die SPD im Bundestag und war dort lange Zeit zuständig für Energiefragen, von 1986 bis 1998 auch als Energiereferent der SPD-Fraktion. 1998 wechselte er zur E.ON\ AG (damals noch Veba\ AG).

Gert von der Groeben legte uns mit großer rhetorischer Finesse dar, dass bei E.ON

  • der Klimawandel bewusst wahrgenommen werde und man sich dort sehr ernsthaft damit auseinandersetzen würde,
  • intensiv darüber nachgedacht werde, wie man den Treibhausgasausstoß reduzieren kann und auch konkrete Maßnahmen zur Effizienzsteigerung umgesetzt würden,
  • 60\ Milliarden EUR bis zum Jahr 2010 investiert würden, davon 6\ Milliarden EUR in erneuerbare Energien,
  • ein größerer Anteil allerdings in Kohle investiert und dabei ein besonderer Fokus auf CO2-Sequestrierung gelegt werde.

Allerdings würden die Wachstumsraten des Treihausgasausstoßes in China und Indien manche – noch dazu sehr teure – Bemühungen zur CO2-Reduktion in Deutschland konterkarieren. Auch die Effizienzsteigerungen, die von der Bundesregierung mit 3\ % pro Jahr angedacht sind, seien sehr ehrgeizig. Realistischerweise seien Effizienzsteigerungen von unter 2\ % erreichbar. Bei privaten Haushalten wäre das Einsparpotential wesentlich höher als bei Kraftwerken, wie auch eine aktuelle McKinsey-Studie aufzeige.

Auf die aktuellen E.ON-Werbespots ("Man sieht es nicht, man hört es nicht!") wollte er nicht eingehen. Öffentlichkeitsarbeit und Lobbyismus seien sehr wichtig, etwa um die Politik in das Unternehmen hineinzutragen – und umgekehrt.

Weiterhin kritisierte er die geplanten Veränderungen des Emissionshandels ab 2012 als wirtschaftlich schädlich. Eine Energiewende, die den Verzicht auf Kohlekraftwerke beinhalte, sei außerdem nur mit Laufzeitverlängerungen auf 40 bis 50\ Jahre Gesamtlaufzeit und Neubau von Kernkraftwerken möglich. E.ON sei an vielen Projekten außerhalb Deutschlands beteiligt, beispielsweise in Großbritannien. Auch sei das Oligopol der vier großen Versorger (E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW) in Deutschland weniger mächtig als häufig behauptet, denn international sei der Markt sehr kompetitiv – was sich wieder auf den nationalen Markt auswirke.

Alexander Schönfelder Reinhard Krapp

Auswärtiges Amt

Auswärtiges Amt Reinhard Krapp ist Leiter des Referates Internationale Umweltpolitik des Auswärtigen Amts. Er berichtete ausführlich über die Konferenz von Bali, die diplomatischen Auseinandersetzungen dort und über schlaflose Nächte. Er vermittelte uns einen Einblick in die diplomatischen Abläufe, etwa über die Vorverhandlungen zu der Abschlusskonferenz. Er gab einen Einblick in seine persönliche Einschätzung zum Erfolg des Kopenhagen-Protokolls, das Ende 2009 verabschiedet werden soll. Eine weitreichende Einigung werde sicher schwierig, weil das Konsensprinzip gelte; andererseits sei für wegen des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls dringend ein Nachfolgewerk erforderlich.

Das übergeordnete Ziel des Auswärtigen Amts sei es, Deutschlands Position zur Klimapolitik international zu kommunizieren und seine Interessen zu vertreten.

Die Folien zu Reinhard Krapps Vortrag können nach Login hier heruntergeladen werden.

Alexander Schönfelder ist zuständig für Energiefragen. Er erläuterte uns, wie Fragen der Energiesicherheit im Auswärtigen Amt behandelt werden. Wichtig ist dabei die Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Dazu gehört die Diversifizierung der Energieimporte, aber auch die Aushandlung von einer Art Energiesolidarität: Fehlt einem Staat Energie, so springen andere ein. Dies müsse natürlich vertraglich abgesichert werden. Insgesamt müsse die Energiepolitik einzelner Staaten in eine gemeinsame Energiepolitik der EU überführt werden. Weiterhin seien viele Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik eng mit Energiefragen verknüpft.

Judith Enders

Bundestag/Reichstag

Bündnis 90/Die Grünen

In einem Nebentrakt des Reichstags erklärte uns Dr. Judith Enders, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundestagsfraktion der Grünen und promovierte Politologin, das klimapolitische Programm ihrer Partei. Sie vertrat Hans-Josef Fell, der leider verhindert war, weil er kurzfristig zu einer Konferenz in die USA musste. Als Nicht-Regierungspartei könnten die Gründen mehr fordern als die anderen Parteien, so etwa ein generelles Tempolimit bei 120 km/h, Versteigerung aller Emissionszertifikate, Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, ein Top-Runner-Programm in der EU und schließlich auch ein ambitionierteres Klimaschutzziel. Nur so könne die von der Regierung vorgesehene Reduktion des Treibhausgasausstoßes um 40 % wirklich erreicht oder gar übertroffen werden, wie es die Grünen fordern. Außerdem versorgte sie uns mit interessanten Flyern.

6. März 2008

Kathrin Gutmann

Torsten, Martina, Omar und Kathrin bereiteten uns auf die Gespräche vor.

World Wide Fund for Nature (WWF)

WWF

Der erste Termin führte uns zu Kathrin Gutmann vom WWF, allerdings fand das Gespräch im Haus der Heinrich-Böll-Stiftung an den Hackeschen Höfen statt. Sie beschäftigt sich mit der Koordinierung der internationalen Klimapolitik des WWF, die aus mehreren Einzelsträngen – beispielsweise den nationalen WWF-Divisionen – besteht. Sie war in der letzten Zeit sehr im Bali-Prozess involviert. Dort sollten die Interessen der verschiedenen Umweltverbände wie dem WWF, Greenpeace und Friends of the Earth artikuliert werden, was ebenso viel Abstimmung erforderte. Weiterhin sprachen wir über die Position des WWF zu Energiefragen wie Atomenergie und Biokraftstoffen. Dabei interessierte uns natürlich besonders, wie das WWF den Verzicht auf die CO2-arme Atomkraft ausgleichen will, und welchen Standpunkt das WWF zu Nahrungsmittelkrise und Gentechnik hat. Schließlich berichtete Kathrin Gutmann noch über einige Besonderheiten, die sich aus der Arbeit bei einer NGO ergeben.

Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

Stiftung Wissenschaft und Politik

 Prof. Dr. Guenther Maihold  Dr. Susanne Dröge Dr. Susanne Dröge ist promovierte Volkswirtschaftlerin und forschte vor Ihrem Einstieg bei der SWP am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Prof. Claudia Kemfert. Sie gab uns einen sehr interessanten und exakten Überblick über die wichtigsten ökonomischen Aspekte, die den Klimawandel betreffen und auch für die Einigung in Bali wichtig waren. Dazu gehörten der Emissionshandel, Clean Development Mechanisms, Importzölle zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Europäischer Unternehmen innerhalb eines Emissionshandelssystems, sowie Leakage. Letzteres bezeichnet die Flucht von Industrien vor einem Emissionshandelssystem in emissionshandelsfreie Länder wie China oder Indien.

Der marktwirtschaftliche Ansatz führe zu einer kosteneffizienten Reduktion des Treibhausgasausstoßes. Allerdings müssten umbedingt große Schwellenländer, die BRIC-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China) animiert werden, sich rasch einzubringen. Um die Zustimmung zu gewinnen, solle ein Technologietransfer aus den reichen Industrieländern stattfinden.

Zum Schluss diskutierten wir noch über den Equity-Ansatz, den die Bundeskanzlerin ins Gespräch gebracht hat – dass nämlich jeder Mensch auf der Erde grundsätzlich den gleichen Treibhausgasausstoß verursachen darf. Dies könnte dazu führen, dass die Menschen in den westlichen Industriestaaten Menschen in ärmeren Ländern Emissionszertifikate abkaufen müssten. Dies hätte natürlich auch entwicklungspolitische Auswirkungen.

Der stellvertretende Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik machte den Aufbau der Organisation, ihre Aufgaben und die Art der Wissenschaft, die dort betrieben wird, transparent. Die SWP versteht sich als unabhängiger Dienstleister für die Politik, und unterstützt beispielsweise Bundestagsabgeordnete bei komplexen außen- oder sicherheitspolitischen Fragen. Prof. Maiholds Fachgebiet sind die Länder in Lateinamerika. Schließlich konnten wir noch kurz mit ihm über aktuelle Entwicklungen in Lateinamerika sprechen.

 Frank Schwabe  Frank Schwabe

Paul-Löbe-Haus

SPD Zuletzt wurden wir an diesem Tag im Paul-Löbe-Haus von den wissenschaftlichen Mitarbeitern des klimapolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Frank Schwabe, empfangen.

Anschließend entwickelte sich ein interessantes Gespräche über die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fraktionen und innerhalb der SPD-Fraktion. Manchmal seien die Unterschiede innerhalb einer Fraktion größer als die zwischen den Politikern gleichen Fachgebiets aus unterschiedlichen Parteien …

7. März 2008

Richard, Germar, Marie und Valentin waren für die Vorbereitung verantwortlich.

Dr. Georg Maue

Bundesministierum für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)

Bundesministeriumg für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Der Morgen begann am Alexanderplatz, beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Dr. Georg Maue, promovierter Umwelttechnik-Ingenieur, erklärte uns, wie das BMU Einfluss auf die aktuelle Politik der großen Koalition nimmt – und welche Schwierigkeiten es dabei mit anderen Interessensvertretern und Ministerien geben kann. Dr. Maue hatte zuvor für das Umweltbundesamt in Dessau (UBA) gearbeitet.

Kurz darauf konnten wir ganz real beobachten, wie schnell manchmal reagiert werden muss: Dr. Maue unterbrach seinen Vortrag, weil die neue Version eines Referentenentwurf aus dem Wirtschaftsministerium schnell verhandelt werden sollte. Nach einigen Telefonaten konnte er glücklicherweise seinen Chef dafür gewinnen, für ihn zu übernehmen. So konnten wir doch noch seinen Vortrag mit vielen interessanten Zahlen zum Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, zur Energieversorgung in Deutschland und den größten CO2-Verursachern verfolgen. Sehr interessant waren zum Schluss noch die Einschätzungen von Dr. Maue zu den Verdiensten von Bundeskanzlerin Angela Merkel und wie sich ihre frühere Tätigkeit als Bundesumweltministerin heute auswirkt.

Die Folien zu seinem Vortrag können nach Login hier heruntergeladen werden.

Dr. Gunnar Luderer Christian Flachsland

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Abteilung für nachhaltige Lösungsstrategien Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hörten wir zunächst von Dr. Gunnar Luderer den lange überfälligen Vortrag über die Erwärmung, den kausalen Zusammenhang mit dem CO2-Anstieg und natürlich den anthropogenen Einfluss. Christian Flachsland referierte über die Vulnerabilitäten verschiedener Länder, insbesondere in Wüsten- oder Küstenregionen Afrikas oder Asiens. Beide Wissenschaftler arbeiten in der dritten Abteilung des PIK, der Abteilung für nachhaltige Lösungsstrategien.

Rechtliches

Grundsätzlich ist nach KunstUrhG §22 und §23 die Veröffentlichung von Fotos von Personen ohne deren Einwilligung strafbar. Wahrscheinlich gelten nicht alle Referenten als Personen der Zeitgeschichte. Andererseits gibt es aber auch die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Wikipedia ist etwas ausführlicher. Fast alle Referenten haben uns jedoch ihre Zustimmung zur Veröffentlichung auf unserer Seite gegeben.

Valentin Schwamberger, August 2008

 
 
berlin-exkursion.txt · Zuletzt geändert: 22.01.2010 17:52 von Valentin Schwamberger
 
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